Rhodos Journal


Der Anfang

Die Geschichte einer Liebe zu Land und Leuten
Teil 1

Das erste mal

1980 bis dahin noch nicht viel in der Welt herumgekommen und altersmäßig noch gut unter dreißig hat es sich ergeben, daß ich in kurzen Abständen zweimal Urlaub in Griechenland machen durfte. Durch ein familiäres Ereignis war ich zuerst mit meinen Eltern und meiner Schwester und meinem Schwager zwei Wochen auf Kos und eine Woche später mit 3 Freunden zwei Wochen auf Rhodos.

Bis dahin kannte ich den Süden Europas und somit das Meer nur durch einen Urlaub im Alter von 21 Jahren, wo ich mit einem Freund im jetzigen Kroatien war. Wenn man so wie ich in den Fünfzigern und Sechzigern aufgewachsen ist, hatte man eben noch nicht schon als 3-jähriger die halbe Welt bereist.

Bereits Kos scheint mich damals schon irgendwie „infiziert“ zu haben. Ich kann heute nicht mehr genau sagen, was es war. War es die erste Languste meines Lebens in einer Taverne mit sehr netten Menschen, war es der damals für mich noch unendliche Sandstrand, das Klima, das Meer, das Licht, ich weiß es nicht.


Eine Woche nach diesem Urlaub war dann Rhodos mit Freunden angesagt. Dieser Urlaub ist wahrscheinlich das Schlüsselerlebnis warum ich - mittlerweile wir – immer noch unseren Urlaub auf dieser Insel, die uns zur zweiten Heimat geworden ist, verbringen.

Wir waren damals zu viert, 2 Mädels, 2 Jungs. Eines der Mädchen kannte sich auf Rhodos schon etwas aus, da sie vorher schon ein paar mal dort war. Auch damals schon buchten wir nur den Flug und reservierten telefonisch Zimmer für uns in einem kleinen Hotel in Rhodos Stadt. Das Hotel war sehr einfach, aber für unseren Geldbeutel und unsere damaligen Bedürfnisse (nur schlafen und duschen) genug. Trotz unserer Geldknappheit stand für uns außer Zweifel, daß wir uns für die ganzen zwei Wochen ein Auto mieten würden. Wir wollten unabhängig sein und etwas unternehmen können. Außerdem wußten wir aus den Erfahrungen unserer Bekannten, baden ist in Faliraki angesagt und Nightlife in Rhodos Stadt. Faliraki war zwar schon eine Touristenhochburg, aber außer dem „Faliraki Beach“ dem „Apollo“ und dem „Colossos“ gab es noch keine großen Hotelbunker. Diskotheken und Kneipen beschränkten sich wirklich fast nur auf Rhodos Stadt.
Was heißt Diskotheken? Die ersten beiden großen Diskos auf ganz Rhodos waren in Rhodos Stadt auf der Straße zum „Monte Smith“ das „Mike’s Pub“ und das „Aquarius“. Ja - Mitte Zwanzig zählten wir auch noch zu den Diskothekengängern und Kulturbanausen, wobei ich sagen muß, daß es 1980 trotz einigem Alkohol und viel Blödsinn noch gesittet ablief. Riesenkrach um Kneipen und Hotels gab es noch nicht. Sinnloses Kollektivbesäufnis war höchstens bei ein paar Skandinaviern angesagt. Ansonsten war es trotz Tourismus noch eine beschauliche Insel.


Wie schon gesagt, um mobil zu sein besorgten wir uns einen Leihwagen. Es war ein Renault R4. Ausstaffiert mit diesem Gefährt sind wir natürlich gleich am ersten Abend losgedüst, um uns in das rhodische Nachtleben zu stürzen. Durch Zufall sind wir im „Mike’s Pub“ gelandet. Das Lokal war zum größten Teil im Freien, die Discomusik war ungefähr 2 Jahre zurück. Von Anfang an aber hatten wir großen Spaß mit dem Ober und mit „Mike“ dem, wie wir später erfuhren, Besitzer der Disko. Dieser „Mike“ ist im Laufe der Jahre und bis heute dann mein (unser) bester Freund auf Rhodos geworden.

An diesem Abend ereignete sich auch etwas, was ich nie vergessen werde. Nach dem Konsum einer Flasche Gin bekamen wir Hunger und sind aus der Diskothek in die gegenüberliegende Gyrosbude gegangen. Als wir in die Diskothek zurück wollten, es war sicher schon 2 Uhr morgens, sagte uns der wohlgemerkt sehr griechisch aussehende Türsteher, in reinstem bayerisch „Do is scho zua“ – für unsere norddeutschen Freunde „wir haben schon geschlossen“. Unsere erstaunten Gesichter und das folgende Gelächter kann man sich vorstellen. Auf die Frage, woher er sein Bayerisch habe, antwortete uns Michailis, daß er in München aufgewachsen sei. Der Beginn einer ersten Freundschaft, die bis heute gehalten hat, war gelegt. Daß wir in den nächsten Tagen natürlich wieder in diese Diskothek gingen, war klar.


Tagsüber sind wir zum Baden nach Faliraki gefahren. Kenner meiner Homepage können sich schon vorstellen wohin – zu Tsambikos -.

Taverne in den Achtzigern
Bei Tsambikos in den Anfangsjahren

Tsambikos Taverne kannte unsere Bekannte schon von früheren Urlauben. Seine Taverne war damals außer „Maria“, heute heißt es glaube ich „Limanaki“, die einzige in dieser Gegend. Von der Nationalstraße Rhodos-Lindos führte damals noch ein Sandweg an den Strand. Zwischen Hauptstraße und Strand gab es weder irgendwelche Supermärkte noch sonstige touristische Verkaufsbuden. In der Landschaft standen nur kleine Hütten, die wohl Werkzeugschuppen für landwirtschaftliches Gerät waren. Das einzige Hotel auf dem Weg zu diesem Strandteil von Faliraki war das „Lido“.

Tsambikos hatte die Taverne erst 3 Jahre vorher von seinem verstorbenen Vater übernommen. Und da im gleichen Alter wie wir, war er natürlich für jeden Spaß zu haben. Das ist übrigens eine Eigenschaft der Griechen, die ich besonders liebe. Ganz gleich welchen Alters sie sind immer für jeden Blödsinn zu haben. Wobei bei der Fröhlichkeit immer deutlich unterschieden wird, ist es ein wie sie sagen, „Plastiklachen“ für die Touristen oder echter Spaß.

Und Spaß hatten wir damals bei Tsambikos mehr als genug. Ob es darum ging jemanden der am Strand lag seine in der Taverne stehengelassene Badetasche mit Gips aufzufüllen oder ob ein Eimer eiskaltes Wasser wieder vom Dach der Taverne auf uns niederging oder ob ...

Die ersten Tage vergingen auf jeden Fall wie im Flug. Dadurch, daß die Clique der Griechen, die wir kennenlernten, sowohl im „Mikes’s Pub“ in der Nacht, als auch bei Tsambikos am Tag verkehrten, hatten wir von Anfang an Anschluß gefunden. Mich faszinierte damals, daß obwohl wir für meine Begriffe „so weit“ weg von Deutschland waren, wir dort sofort aufgenommen und integriert wurden. Daß diese Jungs dann auch noch wie Mike perfekt hochdeutsch und nicht nur Michailis bayerisch sprachen schlug für mich „dem Faß den Boden aus“.


Eines Morgens, wir waren schon bei Tsambikos draußen, kamen Mike und Michailis mit dem Motorboot vorbei. Sie fragten uns, ob wir mitfahren wollten, sie bringen uns in eine schöne Bucht und holen uns dann am Nachmittag wieder ab. Wir waren natürlich sofort dabei. Meine erste Fahrt mit einem schnellen Motorboot auf dem Meer – super -.

Sie brachten uns in die „Anthony Quinn“ Bucht. Der erste Eindruck war atemberaubend - kristallklares Wasser, absolute Ruhe, kein Mensch weit und breit -. Wir Vier machten es uns auf dem betonierten Felsplateau gemütlich, lagen den ganzen Tag in der Sonne und schwammen. Ich weiß heute nicht mehr, ob wir etwas zu Trinken oder Essen dabei hatten, auf jeden Fall wurde es uns am späten Nachmittag dann doch etwas mulmig. Kommen die beiden wieder und holen uns ab? Wenn nicht kommt man hier überhaupt irgendwie zu Fuß weg? Wir hatten ja damals noch keinen blassen Schimmer, wo wir waren. Nach doch etwas bangem Warten kamen die beiden dann selbstverständlich um uns abzuholen. Der wunderbare Tag wurde dann gleich bei Tsambikos begossen.


Gegen Ende des Urlaubs ist uns dann allen zusammen, durch unseren üppigen Lebenswandel noch das Geld ausgegangen. Zu der Zeit reiste man noch mit Bargeld; Schecks und Kreditkarten hatten wir keine. Uns blieb also nur übrig jemanden in Deutschland zu bitten, uns telegrafisch Geld zu überweisen. Was das für ein Unterfangen war, kann man sich vorstellen. Telefonieren war nur vom Telegrafenamt am Mandraki möglich und dann auch nur mit zigfachen Wählversuchen, da immer belegt war. Jemanden in der „National Bank of Greece“ klarzumachen, daß wir Geld aus Deutschland erwarteten, war dann auch nicht ganz so einfach. Irgendwie haben wir es geschafft, das Geld haben wir bekommen, und der Urlaub konnte weitergehen.


Am Tag vor dem Rückflug war von unseren neuen Freunden ein gemeinsamer Ausflug nach Prasonisi angesagt. Dieser Ausflug war dann im positiven Sinne die reinste „Katastrophe“. Der griechische Hang zum Blödsinn schlug voll zu.


Prasonisi

Auf den Weg gemacht haben wir uns mit 4 Autos. Mike fuhr mit seinem Fiat von 1936 mit Kadett Motor, ein Grieche hatte einen neuen Camaro mit Bielefelder Kennzeichen und wir unseren R4 und noch ein viertes Auto, an das ich mich nicht mehr erinnere. Alle Autos waren voll besetzt. Unsere griechischen Freunde hatten natürlich auch ein paar Touristinnen dabei – logisch -.

Irgendwann am Vormittag machten wir uns gemächlich auf den Weg. Vielleicht dachten unsere Freunde, wir würden auf dem Weg verhungern, also hielten wir an der damals noch in Betrieb befindlichen Tomatenplantage an der Abzweigung nach Charaki zum Tomatenklauen. Hier begann für Kostas mit seinem Camaro die erste „Katastrophe“. Mike warf ihm aus 20 m Entfernung eine Tomate zu, die er wohlweislich nicht fing. Allerdings landete das Teil durch die offene Autotüre voll auf dem Fahrersitz seines neuen Wagens. Kostas fluchte und schimpfte fürchterlich, der Rest der Truppe lachte sich tot. Die Fahrt ging langsam weiter Richtung Katavia, an Katavia vorbei Richtung Prasonissi. Die Straße nach Prasonisi konnte man damals wirklich nicht als solche bezeichnen. Im Schrittempo mußten Felsen umfahren werden und manchmal wußte man nicht, wo es weiterging. Der arme Kostas mit seinem Camaro gab mangels Bodenfreiheit als erster auf. Wir anderen haben es geschafft. Was sich uns bot, war absolute Einsamkeit. Noch keine Taverne, kein Mensch war zu sehen. Als erstes sprangen wir alle sofort nackt ins Wasser.

Taverne in Katavia

Nachdem wir 2 Stunden dort herumgetollt hatten, fuhren wir zurück nach Katavia. Mike mußte wohl telefonisch in der damals einzigen Taverne unter dem großen Fikus schon ein Essen für uns bestellt haben, da bereits als wir ankamen eine lange Tafel gedeckt war. Es kamen Salat, Brot und ein Riesentopf Stifado auf den Tisch. Getränke fehlten natürlich auch nicht.

Auf der Rückfahrt nach Faliraki kam dann unsere „Katastrophe“. Die Straße zwischen Katavia und Lindos war äußerst spärlich bis gar nicht befahren. Wir fuhren nebeneinander machten Blödsinn bis dann einige Teile Wassermelone zwischen den Autos hin und her flogen. Die Fahrt ging weiter. Plötzlich hat Mike mit seinem Auto Gas gegeben und war weg. Wir dachten, er wird es eben aus irgendeinem Grund eilig haben. Nach ein paar Kilometern war Mike plötzlich wieder vor uns. Er hatte sich „Munition“ besorgt. Ohne Vorwarnung feuerte er Eier auf unser Auto ab. Wir hielten mit Melone dagegen. Es war Juli. Die Eier hatten bei ca. 35 Grad auf dem Auto und der Windschutzscheibe sofort die Konsistenz wie in der Pfanne. Sicht war nur mehr aus dem Seitenfenster möglich. So fuhren wir unter der Schadenfreude unserer Freunde zurück nach Faliraki zu Tsambikos. Soviel zum ersten großen Ausflug auf Rhodos.

Am nächsten Tag ging unser Flug ziemlich früh. Den Wagen konnten wir natürlich nicht mehr reinigen. Wir stellten ihn (heute schäme ich mich dafür) einfach beim Autoverleiher vor dem Geschäft ab und sind zum Flughafen gefahren. Bei diesem Autoverleiher haben wir nie wieder ein Auto gemietet.


So das sind die Erlebnisse vom ersten Rhodos Urlaub, die mir prägnant in Erinnerung geblieben sind. Manche werden vielleicht denken, ganz schön trivial. Es war aber der Beginn vieler Freundschaften, die zum größten Teil bis heute gehalten haben. U. a. wegen dieser Freundschaften fahren wir heute noch nach Rhodos. Uns sind eben die Menschen wichtig und nicht ein dreitausend Jahre alter „Steinhaufen“, denn Kulturbanausen, die lieber ihren Spaß und menschliche Wärme haben, als Sight Seeing zu betreiben sind wir bis heute geblieben.

1980 stand für mich und meine Freunde fest, den nächsten Urlaub verleben wieder auf Rhodos. Im gleichen Jahr ein paar Monate später lernte ich meine Frau kennen. In den nächsten Kapiteln wird also von WIR gesprochen werden.


Teil 2
Die nächsten Jahre



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